Gobi Ultra-Marathon 50k

Einmal chinesische Wüste und zurück

Sand, viel Sand. Mittendrin eine kleine Karawane von Läufern. Dieses Bild bot am 08. November 2015 der erste internationale Changan Ford Gobi Ultramarathon in der Nähe von Jiuquan im chinesischen Teil der Mongolei. Mit dabei die zwei Laufpartner Rainer Knust und Gerrit Wegener.

Das Abenteuer der beiden begann bereits einige Zeit vor dem Startschuss im fernen Wüstensand mit der Einladung durch Herrn Souhei Kobayashis, Ehrenmitglied der IAU und Vorsitzender der Japan Ultrarunners Association (JUA), der die Organisatoren der China Athlete Association (CAA) maßgeblich unterstützte. Die Teilnahme an dieser ersten Ausgabe des Laufes über gut 50 km erfolgte für die 158 Starter ausschließlich auf persönliche Einladung. 50 Teilnehmer wurden aufgrund internationaler Bestenlisten ausgewählt, darunter die beiden Berliner Laufpartner Rainer und Gerrit. Auf die Einladung folgte eine Verlegung des Termins, die insbesondere das internationale Feld deutlich dezimierte. Jedoch behielten die insgesamt ausgelobten 43.000 € Preisgeld, die unter den jeweils drei erstplatzierten Männern und Frauen des Rennens ausgeschüttet werden sollten ihren Reiz. Für Rainer und Gerrit war es die Aussicht auf eine außergewöhnliche Erfahrung, die sie alle Hindernisse überwinden und den Start möglich werden ließ.

Ihre Reise begann am Donnerstag vor dem für Sonntag angesetzten Rennen. Mit dem Flieger ging es von Berlin aus über Amsterdam und Peking nach Langzhou. Es folgten längere Bustransfers, eine Übernachtung und eine mehr als vierstündiger Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug nach Jiuquan. Ankunft war sodann nach mehr als zwei Tagen Reise am Nachmittag des Sonnabends, keine 20 Stunden vor dem Start.

Zu diesem Zeitpunkt war den Beiden noch nicht bewusst, auf welches Abenteuer sie sich genau eingelassen hatten. Die Homepage der Veranstalter war auf Chinesisch geschaltet, die Übersetzung ins Englische eröffnete vielmehr einen weiten Interpretationsspielraum als genaue Informationen bereit zu stellen. Aber eines wurde klar: der Lauf sollte seinem Namen als Wüstenlauf gerecht werden. Im Chinesischen wird die Wüste Gobi Schamo, zu deutsch Sandwüste, genannt. Dabei bietet das Wort Sand viele Variationsmöglichkeiten, die den beiden in Berlin inmitten der 'Brandenburger Streusandbüchse' lebenden Laufpartner bis dato nicht annähernd bekannt waren. So finden sich in der Streckenbeschreibung die Differenzierung zwischen schwarzer, weicher, weicher steiniger und harter steiniger Wüste, Geröll, Kieselsteine, Schotterstraßen, weiche Sandpfade, feiner Sand, loses Geröll auf feinem Sand, alkalische Erde, ausgetrocknetes Salzland, Lehm oder ganz einfach Sand oder Wüste. Dazu gelte es, Kameldorn, Hohlwege und dorniges loses Buschwerk zu meistern, Dünen und Hügel zu erklimmen sowie das bis zu fünf Meter Hohe Schilfrohr zu meiden. Die niedrige Luftfeuchte ließ bereits im Vorfeld einen strahlenden und vor allem wolkenfreien Himmel erwarten, womit der Metapher der Reise als eine Fahrt ins Blaue alle Ehre gemacht wurde.

Den Startort bildete sodann eine temporäre Zeltstadt im weiten Nichts des Sandes. Der Hauptsponsor Changan Ford war allgegenwärtig und zelebrierte sich selbst, sein Engagement sowie die neue Modellreihe des Kuga. Die den am Start- und direkt daneben liegenden Zielbogen flankierenden Werbeaufsteller führten noch einige dutzend Meter in die Weiten der Wüste hinein, dann begann die in diesem Moment in ihrer Unbekanntheit endlos wirkende Unwirtlichkeit.

Es war zu erwarten, dass in einer Wüste mit sehr trockener Luft und möglicherweise auch Wind zu rechnen sein wird. Gemeinhin rechnet man an solch einem Ort auch mit Hitze. Da sich der Startort Xintiandun im Suzhou Bezirk nahe der Stadt Jiuquan auf rund 1.500 m Höhe befindet, begann der Wettkampfmorgen hingegen mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Aufgrund der Trockenheit gab es hingegen kaum etwas, das gefrieren könnte. Stellvertretend froren an diesem Morgen die wartenden Läufer und zitterten dem Start entgegen. Das Umkleidezelt war nicht geheizt und so versuchte das Gros der Anwesenden vor selbigem, sich an den ersten noch flachen jedoch bereits energiereichen Sonnenstrahlen zu wärmen.

Der Startschuss wurde um 10 Uhr Ortszeit von einem Feuerwerk im Rücken der Läufer begleitet, das in verschiedenen Blau- und Rottönen in den vollkommen wolkenfreien Himmel strebte. Schnell setzte sich eine Spitzengruppe mit den späteren podiumsplatzierten Kenianern Charles Kimutai Kigen und Francis Wachira Komu und dem letztlich drittplatzierten Amerikaner Jim Walmsley ab. Jim wurde im Jahr 2016 zu Amerikas bestem Ultratrail-Läufer gewählt und zeigte an diesem Tag bereits seine besondere Klasse.

Bereits nach wenigen Metern, spätestens jedoch an der ersten Düne zeichnete sich deutlich ab, dass vor allem die individuelle Renngestaltung und Krafteinteilung zum Erfolg führen würde. Mit der aufsteigenden Sonne stiegen die Temperaturen auf angenehme 14° C. Wer schon einmal Dünen auf und ab rannte, weiß, wie schnell einem dabei jedoch gleich noch viel wärmer wird. Nach wenigen Rennkilometern stand fast allen Läufern bereits der Schweiß auf der Stirn. Die noch am selbigen Morgen bange Frage, ob der Weg auch gut zu finden sein würde, erwies sich schnell als unbegründet. Ein in etwa fünf Meter breiter Pfad war deutlich alle rund 25 Meter durch seitliche Holzpfähle gekennzeichnet, die aufrecht im Wüstensand steckten. Die Wegführung entsprach dabei dem kürzesten Weg zwischen zwei Punkten. Auf der einen Seite in feinstem Wüstensand steil die Düne hinauf und dann im nahezu freien Fall waghalsige Gefällepassagen auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinab.

Doch es gab nicht nur Dünen. Kilometer um Kilometer durften neue Untergründe und vor allem Landschaften bewundert und bezwungen werden. Nach und nach wurde allen Teilnehmern die Vielgestalt des Sandes dieser Wüste bewusst. Am Wegesrand lagen einige stark erodierte kulturelle Relikte, wie die einstigen Grenztürme Huoshi und Sanshilidadun sowie die ehemalige Siedlung Tianluo. Doch blieb der Blick zumeist auf den Pfad gerichtet, war doch stets höchste Konzentration gefragt, um das Wegsacken, Umknicken oder auch Steckenbleiben zumindest in Grenzen zu halten. Es galt, sich nicht nur die Kräfte im Auf und Ab und zwei Schritte vor und einen zurück des losen Sandes richtig einzuteilen. Der feine Sand, der sich seinen Weg in die Schuhe bahnte und beständig die Haut aufrieb, stellte an sich bereits eine Herausforderung dar.

Verlor sich der Blick im steten Auf und Ab des Dünensandes anfangs schnell in den steilen Schluchten und Hohlwegen und konnte allenfalls auf den Kämmen in Sekundenbruchteilen in die Weite gerichtet werden, änderte sich auch diesbezüglich das Bild. Bisweilen reichte der Blick weit voraus. Am Horizont waren die weißen Zelte der Checkpoints zu erkennen, die alle fünf Kilometer Wasser bereit hielten und Ruhepunkte der Zivilisation im weiten Nichts darstellten.

Gut 51 km und ungezählte Sandkörner im Schuh später war das Ziel erreicht. Die Einsamkeit des Ultraläufers war mit einem Male entschwunden. Für jeden Einzelnen wurde das Zielbanner nochmals in die Höhe gereckt. Gezückte Kameras und Zuschauer, deren Applaus nach der Stille und Abgeschiedenheit der zurückliegenden Kilometer umso mehr zu hallen schien, versprühten das Gefühl, willkommen geheißen und ob des Geleisteten gefeiert zu werden.

Schnell gab es neben der obligaten Medaille eine wärmende Decke und zwei persönliche Helfer geleiteten die Ermüdeten in das Massagezelt. Es bleibt neben vielen Eindrücken eine besondere Erfahrung, auf dem Bauch liegend die sockenbewehrten Füße eines Physiotherapeuten zu spüren, der mit selbigen und dem eigenen Körpergewischt die müden Muskeln des Niedergestreckten zu lockern sucht.

Doch nicht allein die landschaftlichen und medizinischen Eindrücke sind zu einer bleibenden Erinnerung geworden. Auch und gerade aufgrund der erbrachten sportlichen Leistung lohnte die Reise. Mit Pamela Veith als starker Siegerin der Damenwertung wurde das Rennen aus deutscher Sicht zu einem großen Erfolg. Rainer konnte sie auf dem Weg zum Sieg einige Kilometer begleiten und am Ende weit in der Seniorenwertung nach vorne laufen. Auf Gesamtplatz acht und als bester Europäer konnte Gerrit die Bilanz der kleinen deutschen Vertretung beim ersten Gobi Ultramarathon abrunden.

Gerrit Wegener

 

Bilder © China Athlete Association :

Bild 1 : Gerrit Wegener (GER), Pamela Veith (GER), Rainer Knust (GER),

Meghan Arbogust (USA), Jim Walmsley (USA), Ági Czibók (HUN), Paul Fernandez (GB)

Bild 2 : Unendliche Weiten der Wüste Gobi

Bild 3 : Zieleinlauf Gerrit Wegener (GER)

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